Kultur

14. Feb. 2025
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Der Freytag: Schloss Herrenchiemsee - König Ludwig II. und Bayern

Der Freytag: Schloss Herrenchiemsee - König Ludwig II. und Bayern

Die Berge ruhen erhaben am Horizont, eingebettet in das Bühnenwerk von Natur und Landschaft. Schneebedeckt, friedlich und still liegt der See vor mir und rundet die Szenerie harmonisch ab. Sein glasklares Antlitz spiegelt das majestätische Bergpanorama – ruhig, gleichförmig, beinahe entrückt. In der Ferne kündigt der Gesang der Vögel den nahenden Frühling an. Doch der Frost hat noch nicht ganz kapituliert – ein letztes Mal webt er sein eisiges Netz und überzieht den Schilfgürtel vor mir mit einer kühlen Decke. Ein sanfter, frostiger Hauch streift meine Wangen, verleiht diesem stillen Moment am See eine tiefe, wache Ernsthaftigkeit. Gedanken steigen in mir auf. Der April hat viele Gesichter – auch ein sehr kühles, lebensunfreundliches.

Der Atemzug des Frostes lässt mich an diesem Morgen weichen. Ich lasse meine Gedanken am Ufer zurück und begebe mich auf den Weg zum Hotel. Wie schnell doch die Zeit vergeht – Jahre sind vergangen, seit ich hier zum ersten Mal übernachtete. Und doch erinnere ich mich genau an den Moment, als ich Schloss Herrenchiemsee zum ersten Mal sah. Das bayerische Meer habe ich tief in mein Herz geschlossen, die Landschaft und ihre Menschen liebgewonnen. Und ohnehin fasziniert mich alles, was mit König Ludwig II. von Bayern in Verbindung steht. Eine kindliche Freude erwacht in mir, wenn mein Blick auf das Königsschloss fällt – ein Gefühl der Entrückung, als hielte die Zeit einen Atemzug lang inne. Solche Momente sind selten. Und kostbar.

Vom Hotel aus sehe ich die Sonne langsam über dem Horizont aufsteigen. Sie erwärmt die Welt – und meine Wangen spüren erneut die Kraft der Natur. Wie wohlgesinnt mir diese Strahlen erscheinen! Diese stillen Minuten am frühen Morgen, mit Blick auf den See, sind mir die liebsten. Der König liebte ebenfalls die Stille und die Einsamkeit. Ich gehe zum Frühstück, danach will ich noch einmal das Schloss besuchen – bevor die Touristenströme im Frühling und Sommer Besitz davon ergreifen. Ich freue mich auf die besinnliche zwanzigminütige Überfahrt mit dem Schiff hinüber zur größten der sechs Inseln im Chiemsee: der Herreninsel.

Nach einem gemütlichen Frühstück – hier geht es noch entspannter zu als zuhause – besteige ich das Schiff. Die Fahrt über den See beginnt. Ich blicke auf das Bergpanorama, sehe die Welt im Spiegel der Wasseroberfläche. Nur ab und an nehme ich den Sing-Sang des oberbayerischen Dialekts wahr. Fast bin ich allein an Bord, und eine fast himmlische Ruhe umgibt mich. Sollte es stimmen, dass Gott mit dem Land der Bayern ist, dann muss es diese Stille sein, die er ihm geschenkt hat.

Ich erinnere mich an eine stürmische Überfahrt nach Helgoland bei gutem Seegang – und frage mich, ob man hier, auf dem stillen See, ebenfalls seekrank werden kann. Ich selbst bin seefest, doch ich habe schon gestandene Mannsbilder in den Schiffsecken wimmern hören, gepeinigt von der unbarmherzigen See. Heute aber ist alles ruhig. Die Sonne wärmt meine Haut, mein Gemüt findet Frieden im sanften Takt der Wellen. Das Schiff legt an, ich betrete die Insel. Die Ruhe bleibt mein Begleiter – bis zum Schloss.

Als ich dort ankomme, offenbart sich mir ein erhabener Anblick. Ich kann den König beinahe spüren, so tief hat er seinen Fußabdruck auf dieser Insel hinterlassen. Ob es den anderen Besuchern wohl genauso geht? Die Bayern lieben ihren Märchenkönig bis heute. In Gedanken versunken stelle ich mir die Insel zur Zeit Ludwigs II. vor. Nur wenige Tage verbrachte er selbst hier – nach seinem tragischen Ende wurde der Bau des Schlosses abrupt eingestellt. So blieb auch dieses Werk unvollendet.

Ich stehe im Park und blicke auf die Schlossfassade. Versailles – das ist mein erster Gedanke. Die Ähnlichkeit ist verblüffend, und das kommt nicht von ungefähr. Ludwig II. verehrte den Sonnenkönig Ludwig XIV., und das spürt man in jedem Detail dieses Baus. Der Spiegelsaal ist eine exakte Kopie seines Pendants in Versailles. Alles hier staunt das Auge in Ehrfurcht. Doch heute bleibe ich draußen, lasse die Atmosphäre des Schlossgartens auf mich wirken. Ich bin hier, um nachzudenken, um meinen Inspirationsakku aufzuladen.

Die Stunden vergehen, die Sonne neigt sich dem Horizont entgegen. Müde vom Nachdenken, doch innerlich bereichert, verlasse ich die Insel. Diesmal bin ich nicht mehr allein – viele Touristen begleiten mich. Mein Kopf ist leer, aber mein Herz ist leicht. Ich lausche den Gesprächen an Bord, lasse die Worte achtlos an mir vorbeiziehen.

Bis ein einzelnes Wort mich schlagartig aus meiner stillen Welt reißt:
«Wos des alles o’ Diridari gekost hat!»

Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Man kann sich verlieren in der Kunst, in der Schönheit, die sich in jedem Winkel des Schlosses offenbart. Doch am Ende interessiert viele das Profane: Was hat es gekostet?

Ich steige aus, kehre ins Hotel zurück. Zeit für ein gutes Abendessen.

Sapere aude!

S.

Link to the english translation of the article: https://www.ganjingworld.com/s/JOqEblrjQM


Lyrik: Schloss Herrenchiemsee

Im bayerischen Meer
liegst du,
lieblich eingebettet.
Die antiken Uhren schlagen
im Takt vergangener Zeit.

Ein Inselreich –
fern dieser Welt.
Die Sterne über deinem Himmel
leuchten hell,
als wären sie von ihm bestellt.

Unsichtbare Fäden verbinden die Dinge,
spannen sich leise von Hier nach Dort.
Die Wolken ziehen sanft und friedlich,
hinauf zur gold’nen Spur am Ort.

Wie schön war einst die alte Zeit,
fern von Arbeit, Müh’ und Last.
Er ritt durch seinen Park,
furchtlos, kühn, von Freiheit erfasst.

Dem Himmel nah,
zum Greifen nah,
bis diese Welt im Nebel schwand.
Ein König war er –
groß und einsam,
mit schwerer Krone in der Hand.

Doch Bayern blieb ihm stets ergeben,
die Treue fest in seine Hand gelegt.
Der Himmel – weiß und blau geblieben,
sein Königreich, das weiterlebt.

S.


Schloss Herrenchiemsee - König Ludwig II. - Fotoimpressionen:

Schloss Herrenchiemsee in der bayerischen Gemeinde Chiemsee und Impressionen vom Chiemsee (Bavaria - Bayern)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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